Kürzlich wurde in den USA ein erneuter Fall bekannt, der die politische Macht der Pharmakonzerne auf erschreckende Weise demonstriert: Insgesamt 42 Parlamentarier äußerten sich in ihren Mitschriften nach der Debatte zur Gesundheitsreform erstaunlich übereinstimmend in Bezug auf den Markenschutz von biotechnologischen Produkten.
So deckte die New York Times (NYT) am 15. November 2009 auf, dass mehrere Kongressteilnehmer ihre schriftlichen Protokolle nicht selber verfasst hatten. Stattdessen stammten die Texte (oder Ausschnitte daraus), aus der Feder von Mitarbeitern des Biotechnologieunternehmens Genentech.
Dabei ging es dem Pharma-Riesen aber nicht darum, den Gesetzesentwurf zu ändern. Vielmehr wollte Genetech „nur“ in den für das Unternehmen wichtigen Punkten Einigkeit aller Parteien demonstrieren. Wichtig war dem Konzern vor allem, teure biotechnologisch erzeugte Medikamente zwölf Jahre lang zu schützen, bevor Generika (also günstige Konkurrenzprodukte gleicher Wirkung) auf den Markt gebracht werden dürfen.
Eine Email-Nachricht eines Top-Lobbyisten, die der NYT vorliegt, ermahnte die Kollegen, sich freundlich, aber sehr energisch parteiübergreifend so viele unterstützende Statements wie nur möglich zu sichern. Das scheint gelungen, denn sowohl 22 Republikaner als auch 20 Demokraten übernahmen Teile der für Genetech günstigen Textpassagen – und das, obwohl sie in vielen anderen Punkten absolut unterschiedlicher Meinung waren!
Zuvor hatte Genetech laut NYT bereits hohe Wahlkampfspenden an Mitglieder des Repräsentantenhauses gezahlt. Die Tochtergesellschaft des Schweizer Pharma-Konzerns Roche bestreitet allerdings einen Zusammenhang zwischen den Spenden und den Aufzeichnungen der Politiker.
Um zu sehen wie im Pharmabereich gearbeitet wird empfehle ich die Beiträge zu lesen und sehen:
Das Pharmakartell – Wie wir Patienten belogen werden
Fälschungsskandal in der Schmerzforschung
Verflechtungen im Fall der Grippeimpfstoffe
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Beitragsbild: 123rf.com – Vladimir-Soldatov
8. Januar 2010 um 18:40
In Deutschland ist es keinen Deut besser! Die Sendung Monitor zeigte immer wieder, wie die deutsche Regierung von lobbyisten unterwandert ist. Auszüge gefällig?
Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsabgeordneter: „Im Oktober 2006 habe ich nachgefragt, was ist mit externen Mitarbeitern bei der Bundesregierung. Damals hat man mir gesagt: Erstens, es gibt keine. Zweitens, wenn es welche geben sollte, werden die von der Bundesregierung bezahlt. Beides ist nachgewiesenermaßen falsch. Dann hat man zugegeben zunächst 30, dann 100 Mitarbeiter bei der Bundesregierung. Jetzt sind wir bei aufsummiert ungefähr 300. Hier wird das Parlament nur auf Raten informiert und zunächst falsch. Das ist ein ziemlicher Skandal. Und wir müssen dieses Thema jetzt endgültig aufarbeiten.“
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP, ehem. und (wieder) jetzige Bundesjustizministerin: „Für mich als ehemalige Ministerin ist selbstverständlich, dass Gesetzentwürfe von öffentlichen Bediensteten in den Ministerien, die Fachleute sind, entworfen werden. Dann der Meinungsaustausch mit den Verbänden erfolgt, dann im Ministerium, im Kabinett entschieden wird. Aber nicht, indem verdeckt mitgearbeitet wird von den interessierten Kreisen. Das erinnert mich wirklich an einen schlechten Krimi.“
Monitor weiter:
Der Einfluss dieser Lobbyisten ist größer als bislang angenommen. Wieder ein Blick in den Bericht des Bundesrechnungshofes: Über 60 Prozent der externen Mitarbeiter vertraten die Bundesregierung sogar bei Veranstaltungen und Verhandlungen. Über 60 Prozent erstellten Leitungsvorlagen für Topbeamte. Über 25 Prozent waren an Vergabeverfahren öffentlicher Aufträge beteiligt. Und über 20 Prozent der Leihbeamten haben sogar an Gesetzen und Verordnungen formuliert.
Ein Beispiel wie es läuft: Der Chemiekonzern BASF hatte Anfang 2000 ein Problem. Die EU plante eine neue Chemieverordnung – genannt REACH. Sie sollte die Industrie zwingen, chemische Stoffe zu untersuchen, die bislang nie auf ihre Gefährlichkeit getestet worden waren. Die Chemieindustrie setze dagegen ihre Lobby in Bewegung. Im Bundeswirtschaftsministerium hatte BASF sogar einen eigenen Mitarbeiter, von 2004 bis 2005, befasst mit den Arbeiten an REACH. Das Interesse der Chemieindustrie: Weniger Testverfahren, zum Beispiel bei Kinderspielzeug oder Kleidung, um Kosten zu sparen. Damit setzte sich die Lobby gegen die Verbraucherinteressen durch.
Ich stimme Hermann Scheer (SPD, Bundestagsabgeordneter) voll zu, wenn dieser fordert: „Man kann aus dem, was inzwischen auf dem Tisch liegt, spätestens durch den Bundesrechnungshof nur die Schlussfolgerung ziehen: Die Tätigkeit dieser Einflussagenten aus einzelnen Unternehmen in den Ministerien sofort zu beenden.“