Erst neulich gab es eine hitzige Diskussion zu einer Studie[1] von Professor Drosten, in der selbiger nachzuweisen versuchte, dass Kinder für SARS-CoV-2 genauso ansteckend sind wie Erwachsene und Senioren.
Die „Bild“ war einer der Ersten, die sich dieser Studie angenommen hatte. Während der Autor dieses Artikels selbst keine fachlichen Argumente gegen die Studie einbrachte, zitierte er allerdings eine Reihe von zumeist Statistikern, die angeblich ihre Bedenken geäußert hätten. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es in der Tat eine Reihe von Statistikern gab, die diese Studie als „nicht haltbar“ bezeichneten. Einige forderten sogar Drosten auf, die Arbeit zurückzuziehen.
Was in diesem Medien-Tumult untergegangen zu sein scheint, das sind eine Arbeit und einige Medienberichte dazu, dass angeblich nie beobachtet werden konnte, dass ein Kind SARS-CoV-2 an Erwachsene und Senioren übertragen hat.
Verantwortlich für diese Aussage sind die Autoren einer Studie[2] [3]. Und was noch überraschender ist, das ist das Datum für diese Medienberichte[4] und für die Studie: Das Gros der Medienberichte hierzu wurde bereits Ende April (meist 30. April 2020) veröffentlicht. Die dazu gehörige Studie datiert sogar vom 28. April 2020.
Kennt man diese Arbeit im Hause Drosten nicht? Oder kennt man sie und hat gerade deshalb versucht, mit einer eigenen „Untersuchung“ die katastrophale Entscheidung der Regierung, Kindergärten und Schulen zu schließen, zu rechtfertigen?
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Was sagen die Medienberichte?
Stellvertretend für eine Reihe von Berichten beziehe ich mich auf „MSN.com“ (Link 4; siehe oben).
Dieser Beitrag beginnt mit der Feststellung, dass eine Übersichtsarbeit zu Studien, die mit Kindern und SARS-CoV-2 durchgeführt wurden, zu dem Ergebnis kam, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Kinder keine signifikante Rolle bei der Übertragung von Coronaviren sind und darüber hinaus signifikant weniger häufig infiziert werden im Vergleich zu Erwachsenen.
Neben dieser Studie, auf die ich gleich noch eingehen werde, kommen noch andere Stimmen zu Wort, wie zum Beispiel Professor Viner von der Royal College of Paediatrics and Child Health (RCPCH). Der weiß zu berichten, dass weltweit kein Hinweis zu beobachten ist, dass Kinder das Virus übertragen und ausbreiten, aber dass es auf der anderen Seite auch noch nicht genügend Untersuchungen dazu gibt. Für ihn war es zu diesem Zeitpunkt noch etwas zu früh zu erklären, dass Kinder wieder ihre Großeltern umarmen können.
Was sagt die Studie?
Bereits die ersten Untersuchungen zu SARS-CoV-2 in China überraschten die Wissenschaftler mit der Beobachtung, dass es eine große Diskrepanz in der Menge der Fälle und der Prognose gab zwischen Kindern und Erwachsenen. Man konnte sich diesen Unterschied nicht erklären. Im Gegenteil. Man hatte erwartet, dass Kinder gerade diejenigen sind, die die größten „Virenschleudern“ und die Ersten sind, die die Familie „versorgen“, so wie man das von der Grippe her kennt.
Diese Beobachtung veranlasste die Wissenschaftler sich zu fragen, ob die geringen Infektionsraten, die zum überwiegenden Teil ohne Symptome oder mit nur sehr milden Symptomen einhergehen (Todesfälle bei kleinen Kindern sind extrem selten und an einer Hand abzählbar), ob dies ein Zufallsbefund ist oder ob Kinder wirklich aus welchem Grund auch immer gegen eine Infektion weitestgehend resistent sind?
Einige Staaten hatten relativ früh eine große Menge an Tests durchgeführt, wie zum Beispiel Südkorea und Island. In beiden Ländern zeigte sich dann, dass Kinder zu einem signifikanten Maß unterrepräsentiert waren.
Tests in Island bei Hochrisikogruppen zeigten eine Inzidenz von 6,7 % bei Kindern gegenüber 13,7 % bei Erwachsenen. Die gleichen Tests bei der allgemeinen Bevölkerung zeigten 0 % bei Kindern gegenüber 0,8 % bei den Erwachsenen. In beiden Fällen haben wir signifikante Unterschiede.
Eine Vorveröffentlichung einer Studie mit Daten aus Vo, einer 3500-Seelen-Stadt bei Padua in Norditalien zeigte ein ähnliches Bild. Hier waren 86 % der Stadtbevölkerung getestet worden. Es gab nicht ein einziges Kind unter 10 Jahren, das positiv getestet wurde, im Gegensatz zur durchschnittlichen Bevölkerung mit 2,6 % positiven Befunden. Bemerkenswert ist hier, dass viele dieser Kinder mit Infizierten zusammen lebten.
Zahlen aus Japan, wo eine Nachverfolgung von Infizierten durchgeführt wurde, zeigte deutlich geringere Infektionsraten für Kinder.
Dies führt zu der Überlegung, dass Kinder weniger infiziert werden als Erwachsene. Oder aber Kinder haben verkürzte Infektionszeiten der oberen Atemwege mit nur minimaler viraler Freisetzung beziehungsweise, was weniger wahrscheinlich ist, zeigen weniger Symptome bei gleichzeitiger hoher viraler Freisetzung.
Bei der Untersuchung von Familien Clustern zeigte sich, dass Kinder nur zu 10 % als Ursache beteiligt sind. Daten aus Guangzhou sprechen sogar von nur 5 %. Eine Fallstudie aus einem Cluster in den französischen Alpen spricht von einem Kind mit Covid-19, welches seine Infektion nicht übertragen hatte, obwohl das Kind mit hunderten von anderen Personen Kontakt hatte.
In New South Wales, Australien gab es in einer Schule 9 Infektionen bei Kindern und 9 Infektionen bei Erwachsenen. Keiner der 735 Studenten und 128 Angestellten der Schule wurde hierdurch infiziert.
In den Niederlanden wurden Untersuchungen bei der Grundversorgung und in Haushalten durchgeführt. Die dabei gewonnenen Daten zeigen, dass SARS-CoV-2 hauptsächlich von Erwachsenen an andere Erwachsene weitergegeben wird beziehungsweise von erwachsenen Familienmitgliedern an deren Kinder. Dies wäre also im Gegensatz zur Grippe der umgekehrte Verlauf.
Schlussfolgerung der Autoren:
Die Autoren denken, dass zur Bestätigung beziehungsweise Erklärung dieses Phänomens weitere Tests mit serologischen Daten erhoben werden müssen. Sie schließen nicht aus, dass die Auswahl der Testteilnehmer nicht homogen genug ist. Es ist auch möglich, dass falsch-negative Abstriche erhoben wurden, was auf Schwierigkeiten beruht, bei Kindern diese Abstriche zu nehmen.
Es kommt noch dazu, dass es praktisch keine oder kaum Erfahrungen mit SARS-CoV-2 infizierten Kindern gibt, die an schweren Grunderkrankungen leiden. Dies sieht bei Erwachsenen natürlich vollkommen anders aus.
Es gibt einen Bericht von 3 Kindern aus China, die an Leukämie, Hydronephrose (eine Erweiterung des Innenraums der Niere meist verursacht durch Harnstau) und Intussuszeption (Einstülpungen von Darmabschnitten bis hin zum Darmverschluss) litten, wo allerdings nicht klar war, ob die Infektionen mit SARS-CoV-2 der Grund für die Intensivbehandlung war.
Es gibt einige wenige Zahlen aus den USA zu Kindern mit Grunderkrankungen und Covid-19. Rund 23 % der Fälle zeigten eine Grunderkrankungen, zumeist im Atemwegsbereich. 77 % der Patienten, die ins Krankenhaus aufgenommen werden mussten, zeigten eine Grunderkrankung.
Auch hieraus folgen die Autoren, dass die Zahlen in diesem Bereich eher günstig aussehen. Sie sehen aber auch die Gefahr, dass diese Zahlen dazu dienen, Kinder mit Vorerkrankungen ebenfalls so zu isolieren wie infizierte Erwachsene. Viele Spezialisten im Bereich der Pädiatrie sehen hier eine Art „Blankoscheck“ für die Annahme, dass diese Kinder in dieser Weise behandelt werden müssen, was zu langfristigen Schädigungen im Bereich von Erziehung und Psyche für die Kinder führen könnte.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sieht es so aus, dass Kinder keine „Virenschleudern“ für SARS-CoV-2 sind.
Die Autoren rufen die Regierungen weltweit auf, die Schulen wieder zu öffnen, auch für Kinder mit Grunderkrankungen. Und sie sprechen von einer Analyse[5], die unlängst erschien, die gezeigt hatte, wie fragwürdig die Schließung der Schulen gewesen ist.
Die Diskrepanzen und eine mögliche Erklärung
Am 1. Juni erschien eine Studie[6], die die Überlegung anstellte, dass Melatonin aufgrund seiner Eigenschaften eine stark hemmende Wirkung auf SARS-CoV-2 haben könnte. Die Autoren argumentieren hier, dass eine Reihe von Tieren mit hohen Konzentrationen an Melatonin, wie zum Beispiel Fledermäuse, eine hohe Resistenz gegen virale Infekte aufweisen. Sie schließen daraus, dass Kinder, die ebenfalls deutlich höhere Melatonin-Konzentrationen als Erwachsene und vor allem Senioren haben, hier einen entscheidenden Schutz genießen und daher weniger häufig und weniger schwer an Covid-19 erkranken.
Daraus könnte man auch ableiten, dass die Gabe von Melatonin bei bereits Erkrankten möglicherweise ein therapeutischer Ansatz sein könnte.
Ich habe hierzu einen Beitrag in der Vorbereitung, der sich mit diesem Zusammenhang, der extrem interessant ist, näher auseinandersetzt.
Fazit
Es ergibt sich fast der Eindruck, dass die Drosten-Studie zur Frage, ob Kinder infektiöser sind als Erwachsene, nichts als der hilflose Versuch ist, Untersuchungen, die zu vollkommen gegenteiligen Ergebnissen kommen, zu „widerlegen“. Dieser Verdacht wird noch einmal unterstützt durch die Tatsache, dass in der hier diskutierten Studie explizit die Empfehlung gegeben wird, die Schulschließungen aufzuheben und gleichzeitig auf Quellen verwiesen wird, die den Unsinn dieser Maßnahme diskutieren.
Während diese Studie hier die Fakten aufzählt und logisch zueinander in Verbindung setzt, versucht die Drosten-Studie die gleichen Fakten (viel weniger Kinder unter den Probanden als Erwachsene) durch eine Vielzahl von verschiedenen statistischen Methoden von jeder Signifikanz zu bereinigen. Das erklärte Ziel war hier, die Empfehlung auszugeben, Schulen weiter geschlossen zu halten und die Maßnahme für einen Erfolg bei der Eindämmung der „Pandemie“ zu krönen (daher Corona?).
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Quellen:
- [1] Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch
- [2] Children are not COVID-19 super spreaders: time to go back to school
- [3] Children are not COVID-19 super spreaders: time to go back to school | Archives of Disease in Childhood
- [4] No child known to have passed on coronavirus to adults, global study finds
- [5] School closure and management practices during coronavirus outbreaks including COVID-19: a rapid systematic review
- [6] COVID-19: Melatonin as a potential adjuvant treatment – ScienceDirect
24. Juli 2020 um 17:47
Am 17. Juli 2020 gab Daniel Koch, der schweizerische Mister Corona, seit kurzem im Ruhestand, der Zeitung Blick ein Interview. Ein kurzer Auszug:
Daniel Koch:
Von Anfang an wurde gesagt, dass Kinder nicht die Haupttreiber der Epidemie sind. Deshalb kann man sagen, dass Schulschliessungen aus epidemiologischer Sicht nicht nötig waren. Trotzdem hat die Massnahme einen grossen Beitrag geleistet, weil sie der Bevölkerung bewusst gemacht hat, wie ernst es ist.
Frage des Journalisten:
Mit anderen Worten: Die Schulschliessungen hatten nur den Zweck, die Leute wachzurütteln? Dann hätte man aber auch einfach eine Maskenpflicht einführen können – ein Mittel mit deutlich weniger drastischen Folgen.
Antwort Daniel Koch:
Ja, aber das hätte niemals den gleichen Effekt gehabt. Die Schulschliessungen waren enorm effektiv. Die Leute haben realisiert: Jetzt müssen wir Distanz halten, auf Ausflüge und Familienfeste verzichten. Das hat am Schluss den Ausschlag gegeben.
Das ganze Interview:
https://www.blick.ch/politik/mr-corona-daniel-koch-im-grossen-interview-die-maskenfrage-wurde-ueberbewertet-id15986885.html
31. Juli 2020 um 16:35
Drosten hat niemals behauptet, Kinder seien „infektiöser“ als Erwachsene, und in der Studie steht schon gar nichts in dieser Art.
Was die Studie zeigte, ist, dass infizierte Kinder eine ähnliche Virusmenge absondern wie infizierte Erwachsene (auch nicht mehr, sondern leicht weniger, aber der Unterschied ist so klein, dass er nicht signifikant ist).
Diese Studie legt nahe, dass, obwohl Kinder seltener schwere Symptome haben, als potenzielle Quelle von Ansteckungen doch Ernst genommen werden müssen.
Einige der im Text genannten Studien habe das Problem, dass sie während eines Lockdowns durchgeführt wurden, wenn Kinder nicht zur Schule gingen. Dann ist klar, dass Infektionen selten via Kinder geschahen, aber daraus kann natürlich nicht auf die Situation geschlossen werden, wenn Kinder Kontakt mit vielen anderen Kindern haben, wie das z.B. in der Schule der Fall ist. Wenn man sich auch nur ein wenig mit dem, was Drosten sagt, auseinandergesetzt hätte, wäre das bekannt. Aber das war offensichtlich nicht das Ziel.
Die ostasiatischen Länder, die immer schnell und konsequent handelten, erreichten nicht nur, dass es viel weniger Erkrankungen und Todesfälle gab, sondern dort war der Schaden auch für die Wirtschaft viel kleiner. Trotzdem gibt es immer noch Leute, die, obwohl die Evidenz klar dagegen spricht, behaupten, es wäre für die Wirtschaft und das Wohlbefinden der Leute, von Vorteil, wenn eine stärkere Ausbreitung des Virus zugelassen würde.