Studienergebnisse richtig interpretieren: Nicht alle blutdrucksenkenden Mittel schützen vor Herzinfarkten

Es gibt viele medizinische Parameter, die sich mit relativ geringem Aufwand messen lassen, so etwa der Blutdruck, der Cholesterinspiegel oder die Knochendichte. Anhand der Werte erkennt der Arzt, ob eine Behandlung anschlägt, er sieht aber auch, wenn die Zahlen von der Norm abweichen.

Allerdings können diese Parameter keine Vorhersage darüber liefern, ob sie sich überhaupt in irgendeiner Art und Weise auf den Patienten auswirken – also, ob er beispielsweise dadurch einen Herzinfarkt oder einen Knochenbruch erleiden wird. Noch weniger können wir anhand der Messwerte ablesen, ob ein Medikament, das den Blutdruck senkt, auch gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt verringert.

Viele Laborwerte werden allerdings in der medizinischen Forschung auf genau diese Weise eingesetzt: So erheben viele Forscher ausschließlich Statistiken darüber, ob eine Behandlung den Blutdruck senkt.

Dabei kontrollieren sie allerdings nicht, ob hierdurch auch das Risiko für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt  verringert wird. Natürlich ist der Aufwand wesentlich geringer, denn die Senkung des Blutdrucks lässt sich schon nach einer kurzen Behandlungsdauer erkennen, während Herzinfarkte, die noch dazu im Vergleich sehr selten sind, oft erst nach Jahren auftreten.

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Es müssten also aufwendige Langzeitstudien erstellt werden, bei denen alle behandelten Patienten weiter beobachtet würden. Aufgrund der Seltenheit von Herzinfarkten müssten die Kontrollgruppen noch dazu sehr groß sein, um überhaupt signifikante Unterschiede feststellen zu können.

Immer dann, wenn in Studien Laborwerte als Ersatz dienen, spricht man von Surrogatparametern oder Surrogatendpunkten. Für die Patienten sind diese Werte allerdings kaum interessant. Sie möchten hingegen Aussagen über die Lebensqualität, die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt, die Dauer eines Krankenhausaufenthaltes oder die Sterblichkeit wissen.

Bei diesen, für die Patienten interessanten Parametern spricht man von patientenrelevanten Endpunkten. Häufig angewendete Surrogatparameter und die entsprechenden patientenrelevanten Endpunkte sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Surrogatparameter                 Patientenrelevante Endpunkte

Hoher Cholesterinspiegel             Herzinfarkt

Geringe Knochendichte                Knochenbruch

Herzrhythmusstörungen             Plötzlicher Herztod

Hoher Blutdruck                           Schlaganfall, Herzinfarkt

Nicht immer sind Surrogatwerte aussagekräftig

Zwar treten abweichende Laborwerte oft in Verbindung mit einem bestimmten Krankheitsbild auf, das muss aber nicht unbedingt der Fall sein. Denn selbst bei völlig gesunden Menschen entsprechen die Parameter nicht immer der Norm.

Da außerdem willkürlich anhand von Durchschnittszahlen festgelegt wird, in welchem Bereich ein Messwert normalerweise liegen sollte, gibt es oft sogar länderspezifische Abweichungen. Das bedeutet, dass ein Mensch beispielsweise in Deutschland als gesund gelten kann, während er in einem anderen Land bereits Medikamente verschrieben bekäme.

Der Surrogatwert macht keinerlei Aussage darüber, ob eine Behandlung für den Patienten wirklich einen Nutzen hat. Studien, die ausschließlich auf Surrogatparametern aufbauen, führen deshalb sowohl die Ärzte als auch die Patienten oftmals in die Irre. Deshalb sollte das Argument der zu langen Studiendauer auch auf keinen Fall ein Kriterium dafür sein, patientenrelevante Parameter durch Surrogatendpunkte zu ersetzen.

Allerdings gibt es einige Gründe, die es manchmal nötig machen, auf die Laborwerte als Ersatz zurückzugreifen. Dies war beispielsweise bei den ersten Medikamenten gegen HIV der Fall. Studien hatten gezeigt, dass die Mittel die Zahl der HI-Viren im Körper deutlich herabsetzen (Surrogatparameter).

Zu dem Zeitpunkt konnten die Wissenschaftler allerdings noch keine Aussage darüber treffen, ob durch die Mittel auch der Ausbruch von Aids und damit die Sterblichkeit (patientenrelevanter Endpunkt) verlangsamt werden kann.

Da es aber keine alternativen Therapien gab und die Krankheit ohne Behandlung in kurzer Zeit voranschreitet, war ein schnelles Handeln besser als eine vorgeschaltete Langzeitstudie an Freiwilligen. Also ließen die Arzneimittelbehörden dieses Medikament zu, zum großen Glück vieler Tausender Menschen, wie sich im Nachhinein herausstellte (Fleming T. R. & DeMets D. L.: Surrogate end points in clinical trials: are we being misled? Ann Intern Med; 1996; 125; S. 605-613).

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Doch es gibt auch andere Beispiele, so etwa bei einer Medikamentengruppe gegen Herzrhythmusstörungen (Arrhythmie), die bei Herzinfarktpatienten zum Einsatz kamen. Denn einige Menschen, die einen Herzinfarkt überstanden haben, entwickeln in der Folge Arrhythmien, die zum plötzlichen Herztod führen können.

In den 1970er Jahren entwickelte Arzneimittel zeigten gute Erfolge – allerdings nur in Bezug auf die Surrogatparameter. So konnte anhand von Elektrokardiogrammen (EKG) festgestellt werden, wie der Herzrhythmus sich deutlich normalisierte.

Erst Ende der 1980er Jahre führten Wissenschaftler Studien darüber durch, ob diese Medikamente auch die Sterblichkeitsrate für den plötzlichen Herztod verringern. Dabei kamen sie zu einem erschreckenden Ergebnis: Die Patienten, die die Mittel einnahmen, starben – trotz einer deutlichen Verbesserung der Herzrhythmusstörungen – doppelt so häufig am plötzlichen Herztod wie die Kontrollgruppe, die ausschließlich ein Placebo einnahm (Epstein A. E. et al.: Mortality following ventricular arrhythmia suppression by encainide, flecainide, and moricizine after myocardial infarction. The original design concept of the Cardiac Arrhythmia Suppression Trial (CAST); JAMA; 1993; 270; S. 2451-2455).

Ein ähnliches Beispiel zeigt eine Studie zu Osteoporose bei Frauen nach den Wechseljahren. Die Knochendichte (Surrogatparameter) der untersuchten Frauen nahm zu, wenn diese zusätzlich zu Kalzium auch Natriumfluorid einnahmen. Hieraus schlussfolgern die meisten Menschen im ersten Moment, dass die Wahrscheinlichkeit für Knochenbrüche (patientenorientierter Endpunkt) ebenfalls abnehmen sollte.

Doch das Gegenteil ist der Fall: Bei den mit Natriumfluorid behandelten Frauen nahm die Zahl der Knochenbrüche stattdessen sogar zu. Dies liegt daran, dass das Natriumfluorid zwar die Dichte erhöht, gleichzeitig aber die Zusammensetzung verändert und die Knochen spröde und brüchig macht (Riggs B. L. et al.: Effect of fluoride treatment on the fracture rate in postmenopausal women with osteoporosis; N Engl J Med; 1990; 322; S. 802-809).

Medizinische Laborwerte sind dennoch wichtig

Trotzdem sind Laborwerte ganz und gar nicht überflüssig. Sie geben den Ärzten Informationen über den Erfolg einer Behandlung und darüber, ob die Medikamenten-Dosis korrekt gewählt wurde. Sie werden benötigt, um Diagnosen überhaupt stellen zu können, aber auch, um den Krankheitsverlauf zu kontrollieren.

Ein EKG ist wichtig, um einen Herzinfarkt zu diagnostizieren. Ebenso müssen Diabetes-Patienten ihren Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren, damit sie ihre Insulindosis genau anpassen können.

Probleme bereiten die Surrogatparameter, wie beschrieben, nur dann, wenn sie in Studien eingesetzt werden, um den Nutzen für die Patienten zu dokumentieren. Dies kommt sowohl in der Schul- als auch in der Alternativmedizin vor.

Ob es um Nahrungsergänzungsmittel, chirurgische Eingriffe oder psychologische Therapien geht – immer dann, wenn nicht auch ein patientenrelevanter Endpunkt kontrolliert wird, sollten Ärzte und Patienten die Studien kritisch betrachten!

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Dieser Beitrag wurde am 15.01.2023 erstellt.

René Gräber

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