Patientenrisiko: Medizinische Abkürzungen

Die Britische Medical Defence Union (MDU) warnte kürzlich vor erheblichen Patientenrisiken durch den missverständlichen Gebrauch medizinischer Abkürzungen. Die MDU beruft sich hierbei auf veröffentlichte Studien aus Großbritannien und den USA, und verweist auf Ursachen wie fehlerhaftes Lesen, mangelnde Kenntnis medizinischer Abkürzungen, sowie die problematische Mehrfachbedeutungen von Abkürzungen.

Dr. Sally Old, gerichtsmedizinische Gutachterin der MDU, berichtete von zwei Patientenfällen. Einem Diabetes-Patienten wurde versehentlich die 10fache Dosis an Insulin verabreicht: anstatt 6IU (6 International Units) wurde die Abkürzung als 61 Units fehlinterpretiert. Der Fehler wurde rechtzeitig erkannt und der Patient versorgt.

In zweiter Fall verlief tragisch: einem 62jährigen Dialysepatienten wurde zur Behandlung einer Virusinfektion das Medikament Aciclovir verschrieben. Das erstellte Rezept lautete „Acyclovir mit HD“, enthielt also die Abkürzung HD für Hämodialysis; ein Hinweis darauf, die Medikamentendosis entsprechend der verminderten Nierenfunktion auf eine Dosis pro Tag zu reduzieren. HD wurde jedoch falsch als TD (three times daily), dreimal täglich, gelesen. Der Patient verstarb an den Folgen der unbemerkten Falschdosierung.

Beunruhigend ist auch folgender Befund: Kinderärzte, befragt nach der Bedeutung einer Auswahl fachspezifischer Abkürzungen, gaben zu 56-94% die korrekte Interpretation, wogegen Mediziner anderer Fachrichtungen nur zu 31-63% richtig lagen. Also kann ich mich auch endlich mal outen: ich verstehe die Abkürzungen auch nicht alle 🙂

Bereits in 2007 veröffentlichte das Birmingham Heartland Hospital Ergebnisse einer landesweiten Studie an Kinderkliniken, aus der sich mehrere Fälle von Mehrfachbedeutung medizinischer Abkürzungen lesen. Ein Beispiel ist die Abkürzung „TOF“, welche in der britischen medizinischen Terminologie für „tetralogy of fallot“, einen angeborenen Herzfehler, aber auch für „tracheo-oesophageal fistula“, eine angeborene anormale Verbindung zwischen Luftröhre uns Speiseröhre, steht – zwei völlig verschiedene Krankheitsbilder, mit möglicherweise fatalen Konsequenzen im Fall eines operativen Eingriffes zur Behebung dieser angeborenen Konditionen.

Auch ich hatte einen „Klassiker“ noch in der Assistenzzeit: Zustand nach HWI. Klarer Fall von Harnwegsinfekt dachte ich – Blasentee verordnen und ab nach Hause. Ich wurde zum Glück eines bessern belehrt: es handelte sich um einen Hinterwandinfarkt.

Vertreter des Britischen Gesundheitsministeriums fordern jedenfalls Abkürzungen in medizinischen Aufzeichnungen, Verschreibungen und Behandlungsplänen auf ein Minimum zu reduzieren: „Sie verursachen Konfusion und gefährden die Patientensicherheit“.

Dem kann ich nur zustimmen…

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Beitragsbild: pixabay.com – Matvevna

René Gräber

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2 Kommentare Kommentar hinzufügen

  1. Guten Morgen René Gräber,

    ich kann diesem auch nur zustimmen. Aus eigener Erfahrung musste ich mir ein „Übersetzer“ anschaffen, damit ich die medizinischen Begiffe überhaupt verstehe. Wenn mir Ungereimtheiten auf fielen, hieß es meistens. „Man muss es in ihrem Falle verstehen“. Das heißt für mich: Als Patient eine Sprachlehrgang, aber im Falle eines „Notfalls“ – Glück im Unglück – haben.

    Einen schönen Tag, und machen Sie weiter so.

    MfG Reinhild

  2. Erika Seyfarth

    22. Februar 2010 um 18:18

    Hallo Renè Gräber,
    ich wurde aufgrund einer beidseitigen Mastopathie entgegen der vom Hersteller empfholenen Tagesdosis höher mit Progesterol Gel und Gynokadyn Gell behandelt. Die Nebenwirkungungen schlagen dann zu.Kommentar des Arztes einen Mittelweg muß man finden um mit dem Beschwerdebild besser umgehen zu können.
    MfG
    E.Seyfarth

    Mf

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