Es ist schon schwierig und langwierig genug, die Nebenwirkungen nur eines Medikamentes festzustellen. Diese „side effects“ nehmen zu oder verstärken sich oft, wenn ein zweites Medikament eingenommen werden muss.
Viele dieser Wechselwirkungen sind im einzelnen gar nicht erforscht. Viel zu groß ist die Anzahl der Präparate und viel zu komplex die Biochemie des Körpers.
Doch einige dieser gegenseitigen Beeinflussungen von Wirkstoffen sind bekannt, doch scheinen sie oft aus mancherlei Gründen nicht bedacht zu werden. Hier gilt natürlich die Faustregel, dass diese Risiken mit der Anzahl der Präparate zunehmen.
Und viele chronisch Kranke oder ältere Menschen nehmen mehr als zwei Medikamente ein. Ein Viertel der Menschen über 65 bekommen durchschnittlich 5 Medikamente verschrieben. Bei einigen Menschen sind es freilich noch viel mehr. Ob die Hausärzte diese Wechselwirkungen wohl immer berücksichtigen?
Patienten, die schon lange ein Antidepressivum nehmen, haben einen so hohen Spiegel des Wirkstoffes im Blut, dass sie bei der Notwendigkeit einer antibiotischen Behandlung das Präparat für einige Tages absetzen müssten. Denn die beiden Wirkstoffgruppen umfassen Medikamente, die nie gleichzeitig gegeben werden dürfen. Aber kann bei einer schweren Infektion lange gewartet werden?
Die vielfältigen physiologischen Effekte, die Mehrfachverschreibungen haben, sind kaum erforscht. Am häufigsten ist das Phänomen, dass ein Medikament die Wirkung eines anderen Medikamentes verstärkt oder abschwächt.
Wer Aspirin (ASS) zur Gerinnungs-Prophylaxe einnimmt, darf nicht noch zusätzlich Ibuprofen schlucken, denn das Schmerzmittel steigert die gerinnungshemmende Wirkung von ASS.
Beide Medikamente sind frei käuflich und die meisten Patienten werden den ellenlangen Beipackzettel mit den kleinen Buchstaben wohl kaum in Gänze studieren. Die Wirkung von Marcumar und Heparin, ebenfalls beides Antikoagulanzien, wird durch den Schleimlöser Acetylcystein (ACC) und das Analgetikum Diclofenac enorm verstärkt. Auch hier drohen lebensgefährliche innere Blutungen.
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Viele Menschen denken nichts Böses, wenn sie sich ein Abführmittel in der Apotheke kaufen. Meistens ist der durch die Einnahme eintretende Kalium-Mangel auch nicht so dramatisch.
Wer aber gleichzeitig Digitalis-Präparate oder Diuretika („Wassertabletten“) nimmt, bekommt es mit einer Wirkverstärkung seiner Dauermedikation zu tun. Die Folgen können Herzrhythmus-Störungen sein.
Manche Wirkstoffe werden im Beisein andere Medikamente auch gar nicht mehr oder zu gering resorbiert. Dies muss beispielsweise berücksichtigt werden, wenn Magensäure-Blocker eingenommen werden.
Die meisten Menschen werden sich bei den scheinbar harmlosen, rezeptfreien Medikamenten gar keine Gedanken machen und erhebliche Risiken eingehen. Gefährlich wird es auch, wenn der Abbau eines Wirkstoffes durch einen anderen komplett unterbunden wird. Die sich langsam erhöhende Konzentration des nicht mehr metabolisierbaren Stoffes kann letztlich zum Tode führen.
Über den Lipobay-Skandal spricht inzwischen fast keiner mehr. Das Präparat führte in Kombination mit dem Lipid-Senker Gemfibrozil sogar zu Todesfällen. Es kam zu Muskelabbau und dadurch bedingtem Nierenversagen. Lipobay musste schließlich vom Markt genommen werden.
Doch es gibt noch eine Unmenge von anderen ebenfalls potentiell gefährlichen Medikamenten. Dabei müssen neben den Wechselwirkungen – soweit überhaupt bekannt – auch Kontra-Indikationen berücksichtigt werden.
So wurden beispielsweise in einem Krankenhaus in Köln bei einer sogenannten Echokardiographie am Herzen eines Diabetikers die Krankenhausärzte stutzig.
Denn sie mussten feststellten, dass der Patient schon seit Jahren einen Kalzium-Antagonisten einnahm, der als sehr gefährlich für Diabetiker gilt. Sie setzten dieses Mittel sofort ab, denn sie hatten erkannt, dass dies bei dem Patienten zu einer starken Erhöhung des Schlaganfall- und Herzanfall-Risikos führen musste.
Denn die Kölner Ärzte wussten, dass Kalzium-Antagon bei Diabetikern sehr große Risiken nach sich zieht. Auch bestimmte Blutdrucksenker (ACE-Hemmer) beeinflussen die Wirkung von Antidiabetika und können Über- oder Unterzuckerungen verursachen.
Kalzium-Antagonisten sind seit Jahren umstritten – nicht nur bei Diabetikern.
Denn es gibt bisher keine einzige Studie, die die Notwendigkeit und Nützlichkeit des Präparats belegt.
Viele Experten führen daher die Beliebtheit des Medikaments auch konsequent auf die Werbung der Pharmaindustrie zurück. Deren Meinung nach versuche man überall neue und teure Medikamente in den Markt zu drücken und das zu Lasten von älteren aber bewährten (und preiswerteren) Medikamenten, für die man aber wesentliche bessere Infos aus zahlreichen Langzeitstudien habe.
Beitragsbild: 123rf.com – Vladimir Soldatov
Dieser Beitrag wurde letztmalig am 26.04.2018 aktualisiert.