Linden, botanisch Tilia, sind eine Gattung unter den Lindengewächsen, die zu den Malvengewächsen gehören.
In Mitteleuropa sind die beiden Arten Sommerlinde, Tilia platyphyllos, und Winterlinde, Tilia cordata, heimisch. In der freien Natur kommen zudem Kreuzungen der beiden Arten vor, die dann Holländische Linde, Tilia europaea, genannt werden. Linden wachsen weltweit von Mexiko bis China in gemäßigten bis subtropischen Gebieten.
Industriell verwendet werden das Holz, der Bast sowie die Blüten der Linde. Für die Gewinnung von Lindenblüten dürfen in Deutschland dabei nur Winter- und Sommerlinde geerntet werden.
Als Heilpflanze hat die Linde eine lange Tradition. Bei den alten Griechen galt die Linde als Baum der Heiler. Im späten Mittelalter wurden der Laubbaum und seine Heilwirkungen auch in Europa bekannt. Zerriebene Lindenholzkohle wird bei Magenbeschwerden und Darmbeschwerden oder als Zahnpulver sowie bei Wunden oder Geschwüren angewendet. Die Kohle kann dabei Giftstoffe und Säuren binden. Bast oder zerkochte Rinde werden auf Wunden und Verbrennungen aufgelegt.(1)
Aus den getrockneten Lindenblüten kann man Tees und Aufgüsse mit Heilwirkung zubereiten. Für eine Tasse Tee verwendet man ein bis zwei Teelöffel Lindenblüten, lässt den Tee zehn Minuten lang ziehen und trinkt ihn dann möglichst heiß. Er soll schweißtreibend wirken, entspannen und Erkältungen, Fieber oder Husten lindern. Sogar stressbedingten Bluthochdruck soll der Tee senken. Abgekühlter Lindenblütentee ergibt ein mildes und reinigendes Gesichtswasser.
Das Lindenblütenwasser beschrieb schon Hildegard von Bingen als Schönheitsmittel in ihren Kräuterbüchern. Kalt aufgesetzter Lindenblütentee, der bis zu acht Stunden zieht, soll entschlackend wirken. Für ein Lindenblütenbad werden zwei Handvoll Blüten mit einem Liter kochendem Wasser überbrüht. Nach zehn Minuten Durchziehen kann der Sud durch ein Sieb in die Wanne gegeben werden. Solch ein Kräuterbad dient nicht nur der Entspannung.
Es soll auch die Abwehrkräfte stärken. Daneben werden den Lindenblüten viele weitere heilsame Eigenschaften zugeschrieben, wie eine beruhigende und angstlösende Wirkung. Viele Effekte wurden in der traditionellen Heilkunde beschrieben und beruhen auf jahrhundertelanger Anwendung und Beobachtung. Die Forschung hat sich dagegen erst wenig mit der Heilwirkung von Lindenblüten beschäftigt. Doch einige ihrer Wirkungen sind heute auch wissenschaftlich untermauert.
Gut belegt ist inzwischen die angstlösende und entspannende Wirkung von Lindenextrakten. Vor allem in Lateinamerika wird Lindenblütentee zur Beruhigung verabreicht. Dass der Tee tatsächlich beruhigend und angstlösend wirkt, wurde an Mäusen mehrfach belegt. Bereits im Jahr 1994 erschien eine Studie, die nach den Ursachen dieser Wirkung suchte und belegen konnte, dass Wirkstoffe aus dem Tee an Benzodiazepin-Rezeptoren binden. Welcher Wirkstoff genau die entspannende Wirkung ausmacht, konnte damals nicht gezeigt werden, doch vermuteten die Forscher, dass es sich bei den aktiven Komponenten der Lindenblüten um Flavonoide handelt.(2)
Auch eine portugiesische Publikation aus dem Jahr 2001 wies eindeutig den sedativen Effekt von Lindenblütentee nach und gibt zudem die wirksame Konzentration von 10-100 Milligramm pro Kilo Körpergewicht an.(3)
Später konnten mexikanische Forscher zeigen, dass die Extrakte der Linden beruhigend auf das zentrale Nervensystem wirken und dabei eine ähnliche Wirkung wie das chemische Benzodiazepin Diazepam entfalten. Diazepam wird bei Angstzuständen oder Panikattacken sowie als Schlafmittel eingesetzt, hat aber ein hohes Suchtpotential und wird daher meist nur als Kurzzeit-Therapeutikum für Akutfälle angewendet. (4)
Die mexikanischen Forscher versuchten außerdem, die aktiven Komponenten der Linde näher zu bestimmen und schlugen in einer weiteren Studie das Phytosterin β-Sitosterol als Hauptwirkstoff vor.(5)Dass das Phytosterin, das dem Cholesterin strukturell ähnelt, für die sedativen Effekte der Lindenblüten verantwortlich ist, darf jedoch bezweifelt werden. Inzwischen gibt es weitere Studien, die die Idee untermauern, dass Flavonoide die aktiven Komponenten der Linde sind, die angstlösend und entspannend wirken. 2008 wurden verschiedene Inhaltsstoffe der Linde auf ihren beruhigenden Effekt untersucht und eine Fraktion, die besonders reich an Flavonoiden war, zeigte sich als wirksamste im Test.(6)
Auch die mexikanischen Forscher untersuchten die Extrakte aus Lindenblüten weiter und schlugen 2010 nun selbst verschiedene Flavonoide als Wirkstoffe der Linde vor, die dabei sogar näher bestimmt wurden. Demnach geht der angstlösende Effekt der Lindenblüten hauptsächlich auf die beiden Flavonoide Quercetin und Kaempferol sowie ihre Glykoside zurück.(7)
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Neben den Untersuchungen zum Wirkmechanismus der Lindenblüten liegt auch eine Studie zur Toxizität vor, die belegt, dass die Anwendung sicher und bis zu den getesteten Dosen von 5000 Milligramm pro Kilo ungiftig ist. Dieselbe Studie schlug zum ersten Mal Quercetin und Kaempferol als aktive Komponenten vor und zeigt außerdem, dass frische Lindenblüten ebenso wirkungsvoll sind wie getrocknete und einen Diazepam-ähnlichen Effekt haben.(8)
Einige weitere Wirkungen von Lindenblüten wurden von verschiedenen Forschungsgruppen gezeigt, sind jedoch noch nicht umfassend belegt.
Eine Studie aus der Türkei zeigt, dass Lindenblütentee antioxidative Eigenschaften besitzt. Antimikrobielle Effekte (im Sinne eines natürlichen Antibiotikums) konnten dagegen nicht belegt werden.(9)
Japanische Forscher entdeckten 2002 eine leberschützende Funktion eines Alkoholauszugs aus Lindenblüten. Als Wirkstoffe konnten die Flavonoide der Linde identifiziert werden, darunter vor allem Tilirosid sowie Kaempferol. Die Linden-Flavonoide schützen die Leberzellen, indem sie deren Sensitivität für Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) herabsetzen und sie vor Schäden durch den stark basischen Aminozucker D-Galactosamin effektiv schützen.
Galactosamin ist leberschädigend und wird im Labor zur Induktion von Lebererkrankungen in Tierversuchen verwendet. Daneben hemmen die Lindenextrakte die Bildung von TNF-α. Der TNF-Signalweg ist im Körper an Entzündungsreaktionen beteiligt, steuert den Zelltod und induziert die Bildung von Zellprodukten wie NF-kappaB, die Entzündungen hervorrufen sowie genverändernd und damit krebsfördernd wirken.(10)
Entzündungshemmende Eigenschaften der Flavonoide Quercetin und Kaempferol, die aus der Silberlinde extrahiert wurden, wies auch eine Studie der Universität Ankara nach. Demnach entfalten die beiden Flavonoide neben einer entzündungshemmenden Wirkung auch eine lindernde Wirkung auf Schmerzen, indem sie die Schmerzempfindlichkeit herabsetzen. Dabei wurde die Dosis von 50 Milligramm pro Kilo eingesetzt. Unerwünschte Nebenwirkungen wurden dabei nicht beobachtet.(11)
Die Ergebnisse der beiden Studien erklären die wohltuende Wirkung von Lindenblütentee bei Erkältungen oder Bronchitis. Die schmerzlindernde Wirkung von Lindenblütentee konnte zudem durch Forschungsergebnisse aus Mexiko weiter belegt werden. Bei Versuchen an Ratten mit arthritischen Schmerzen konnte eine analgetische Wirkung von Lindenblütenextrakt nachgewiesen werden.
Die Forscher vermuten, dass Quercetin zumindest an der Wirkung beteiligt ist und dass die Effekte über Serotonin-Rezeptoren vermittelt werden. Die Wirkung einer Dosis von 300 Milligramm pro Kilo war mit der des Opioid Tramadol vergleichbar. Das Schmerzmittel wird bei mittelstarken bis starken Schmerzen eingesetzt und hat wie alle Opioide Suchtpotential.(12)
Andere Forscher konzentrierten sich nicht auf die Wirkung, sondern die Zusammensetzung von Lindenextrakten. So fanden argentinische Wissenschaftler im Ethanolextrakt aus Lindenblüten neuroaktive Flavonoid-Glykoside, darunter die Stoffe Isoquercitrin, Quercetin- und Kaemperfol-Glykoside.(13)
In einer anderen Studie wurden zudem reichlich Limonen sowie Pinen im Extrakt aus Lindenblüten gefunden. Die Forscher entdeckten außerdem, dass der Lindenblütenextrakt das Wachstum von Tumorzellen unterdrückt. Limonen war dabei nicht nur der aktivste Wirkstoff im Kampf gegen Tumorzellen, sondern konnte außerdem die Bildung und das Wachstum von Lymphozyten stimulieren.(14)
Damit wurde auch die Stärkung des Immunsystems durch Lindenblüten wissenschaftlich belegt.
Daneben liegen noch kaum weitere Daten über Lindenblüten vor, welche die bisherigen Ergebnisse stützen oder andere Heilwirkungen systematisch untersuchen. Isolierte Bestandteile wie Quercetin oder Kaempferol dagegen werden weltweit erforscht, stammen dabei jedoch oft aus anderen Quellen als Lindenblüten. In Tausenden von Untersuchungen wurden Wirkungen von Stoffen beschrieben, die auch in Lindenblüten vorkommen. In solchen Studien erwies sich zum Beispiel Quercetin oral eingenommen als blutdrucksenkend und antioxidativ (15),sowie effektiv gegen verschiedene Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs und andere.(16)
Möglicherweise kann dies die beobachtete, blutdrucksenkende Wirkung von Lindenblütentee erklären. Zudem wirkt der Tee durch seine entspannenden Eigenschaften positiv und wohltuend bei Stress und kann so stressbedingten Bluthochdruck senken.
Lindenblüten können in getrockneter Form in Apotheken oder Reformhäusern sowie in Online-Shops gekauft werden. Aus ihnen lassen sich Tee, Aufgüsse oder Bäder bereiten. Zudem sind Lindenblüten Bestandteil vieler Teemischungen, die bei Erkältung lindernd wirken sollen.
Aus frischen Lindenblüten kann man sich außerdem selbst einen Sirup zubereiten, der bei Erkältungen gegeben wird. Man kann ihn pur einnehmen oder Tee damit süßen.
Quellen:
- Heilkunde und Volksmedizin, Georg-August-Universität Göttingen
http://www.uni-goettingen.de/de/41687.html - Viola et al. Isolation of pharmacologically active benzodiazepine receptor ligands from Tilia tomentosa (Tiliaceae). Journal of Ethnopharmacology. 1994 Aug;44(1):47-53. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7990504
- Coleta et al. Comparative evaluation of Melissa officinalis L., Tilia europaea L., Passiflora edulis Sims. and Hypericum perforatum L. in the elevated plus maze anxiety test. Pharmacopsychiatry. 2001 Jul;34 Suppl 1:S20-1. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11518069
- Aguirre-Hernández et al. Pharmacological evaluation of the anxiolytic and sedative effects of Tilia americana L. var. mexicana in mice. Journal of Ethnopharmacology. 2007 Jan 3;109(1):140-5. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16930893
- Aguirre-Hernández et al. Bioactivity-guided isolation of beta-sitosterol and some fatty acids as active compounds in the anxiolytic and sedative effects of Tilia americana var. mexicana. Planta Medica. 2007 Sep;73(11):1148-55. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17823876
- Herrera-Ruiz et al. Flavonoids from Tilia americana with anxiolytic activity in plus-maze test. Journal of Ehtnopharmacology. 2008 Jul 23;118(2):312-7. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18539420
- Aguirre-Hernández et al. HPLC/MS analysis and anxiolytic-like effect of quercetin and kaempferol flavonoids from Tilia americana var. mexicana. Journal of Ethnopharmacology. 2010 Jan 8;127(1):91-7. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19799990
- Pérez-Ortega et al. Sedative and anxiolytic efficacy of Tilia americana var. mexicana inflorescences used traditionally by communities of State of Michoacan, Mexico. Journal of Ethnopharmacology. 2008 Mar 28;116(3):461-8. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18242902
- Yildirim et al. Comparison of antioxidant and antimicrobial activities of tilia (Tilia argentea Desf ex DC), sage (Salvia triloba l.), and black tea (Camellia sinensis) extracts. Journal of agricultural and Food Chemistry. 2000 Oct;48(10):5030-4. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11052773
- Matsuda et al. Hepatoprotective principles from the flowers of Tilia argentea (linden): structure requirements of tiliroside and mechanisms of action. Bioorganic & Medicinal Chemistry. 2002 Mar;10(3):707-12. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11814859
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- García-Saura et al. Effects of chronic quercetin treatment in experimental renovascular hypertension. Molecular and Cellular Biochemistry. 2005 Feb;270(1-2):147-55. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15792364
- Zhou et al. Dietary polyphenol quercetin targets pancreatic cancer stem cells. International Journal of Oncology. 2010 Sep;37(3):551-61. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20664924
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