Heilpflanzen

Guayusa – Der Geheimtipp vom Amazonas? Erfahrungen und Wissenschaft

Guayusa Tee vom Amazonas scheint ein neuer „Geheimtipp“ zu sein. Die Anbieter im Internet überschlagen sich mit Berichten und Zeugnissen von positiven Wirkungen und gesundheitlichen Vorteilen. Da stellt sich bei mir sofort die Frage ein, ob wir es hier mit Fakten zu tun haben, oder ist dies eine weitere „Masche“ des Marketings, ein vielleicht gar nicht so schlechtes natürliches Produkt so aufzublasen, dass es in den Olymp unverzichtbarer Heilpflanzen aufsteigt?

Guayusa Tee – Guayusa Baum

Ilex guayusa ist der wissenschaftliche Name für einen Baum, der nur im Regenwald des Amazonas vorkommt. Dieser Baum ist eine von drei Arten von Stechpalmen, deren Blätter signifikante Mengen an Koffein aufweisen. Die getrockneten Blätter werden mit heißen Wasser aufgebrüht und als Tee getrunken.

Diese spezifische Zubereitung als Tee wird traditionell in Ecuador, Peru und Kolumbien durchgeführt. Die Jivaro Indianer in Ecuador und Peru bereiten einen Tee aus den Blättern, der in großen Mengen vor dem Morgengrauen in einer Zeremonie eingenommen wird. Zu dieser Zeremonie gehört ein rituelles Erbrechen des getrunkenen Tees (Ritualistic use of the holly Ilex guayusa by Amazonian Jívaro Indians. – PubMed – NCBI), umso den Magen auszuwaschen und die Zufuhr von großen Mengen Koffein zu limitieren.

Die Kichua Indianer benutzen den Tee als Ritual, um Träume zu erzeugen, die den Ausgang von Jagdunternehmen voraussagen.

Guayusa Tee im Internet

Die traditionelle Handhabung von Guayusa Tee bei den südamerikanischen Indianern ist natürlich Teil des Bildes, was von den einschlägigen Webseiten dem Leser vor gemalt wird. Selbstverständlich löst der Tee alles in Harmonie und Wohlgefallen auf:

„In den frühen Morgenstunden, nach dem Aufstehen trank man den Tee gemeinschaftlich. Dazu wurden Geschichten erzählt, Flöte gespielt und die Schamanen interpretierten die Träume der vergangenen Nacht“

Das rituelle Erbrechen findet eigenartigerweise hier nirgends Erwähnung. Aber vielleicht sind solche weniger appetitlichen Einzelheiten im Zusammenhang mit diesem Tee weniger verkaufsfördernd. Aber, mit und ohne diesem eigenartigen Umgang mit dem Tee bleibt immer noch die Frage, ob Guayusa Potenzial für den Einsatz bei der Gesundheitspflege hat. Das Erbrechen als Vermeidungsstrategie bei den Indianern ist lediglich Beleg dafür, dass die Menge an Koffein so signifikant sein muss, dass diese Mengen zu entsprechend unangenehmen Wirkungen führen. Mehr dazu in meinem Beitrag: ᐅ Kaffee – Gesund oder Ungesund? Lesen Sie es selbst! Hier habe ich mich auch über die Wirkung von hohen Dosen Koffein „ausgelassen“.

Zu den Inhaltsstoffen erfahren wir zum Beispiel, dass Guayusa „alle essenziellen Aminosäuren, die der Mensch braucht und jede Menge Antioxidantien, nämlich doppelt so viele wie grüner Tee“ enthält. Hier haben wir bereits die erste Ungenauigkeit (um dies einmal diplomatisch zu formulieren). Denn aufgrund Angaben einer anderen Guayusa-Seite, die einen Labortest zitiert (Guayusa_Aminosauren.pdf), enthält Guayusa kein Tryptophan, eine der acht essenziellen Aminosäuren.

Zur Frage der Behauptung, dass Guayusa Tee doppelt so viel Antioxidantien enthält als grüner Tee, gibt es „selbstverständlich“ keine Quellen, die dies belegen können.

Meine Suche nach diesbezüglichen Quellen hat ergeben, dass es bis auf eine Ausnahme anscheinend keine wissenschaftlichen Untersuchungen zu dieser Fragestellung gibt.

Und diese eine Ausnahme (Antioxidant and anti-inflammatory properties of Ilex guayusa tea preparations: a comparison to Camellia sinensis teas. – PubMed – NCBI) widerspricht der Marketing-Aussage vom doppelt so hohen Antioxidantienstatus. Vielmehr zeigte diese Untersuchung, dass die antioxidative Kapazität von Guayusa Tee zwischen 60 und 80 Prozent der antioxidativen Kapazitäten von grünem Tee liegen. Diese Arbeit zeigt auch, dass entzündungshemmende Eigenschaften von Guayusa Tee und grünem Tee vergleichbar gut ausfallen.
Fazit: Aufgrund dieser wissenschaftlichen Untersuchung, die vom Dezember 2017 stammt und damit recht aktuell ist, gibt es wenig Grund zur Annahme, dass Guayusa Tee signifikante Vorteile gegenüber grünem Tee vorzuweisen hat.

Die Sache mit dem Koffein

Ich hatte bereits meinen Beitrag zum Kaffee und Koffein weiter oben zitiert. Hier erfahren Sie, dass gesundheitlich interessante Wirkungen des Kaffees nichts mit dem Koffein zu tun haben, sondern auf anderen Inhaltsstoffen des Kaffees beruhen. Die positive Eigenschaft des Koffein besteht lediglich darin, dass unter Umständen Gedächtnisleistungen verbessert und Stresssymptome gemildert werden. Die bislang bestehende Literatur zu Guayusa, nach meinem Wissensstand heute, sagt nichts aus zu häufig geäußerten Behauptungen des Guayusa-Marketings, dass der Tee Hungergefühle und Appetit senkt, sich zum Abnehmen eignet und als mildes Aufputschmittel wirkt.

Hier zum Koffein noch einige Beiträge:

• Koffein und Schmerz

• Bessere Leberwerte durch Kaffee?

• Kaffee – Gesund oder Ungesund?

Übrigens: Wenn Sie solche Informationen interessieren, dann fordern Sie unbedingt meinen Heilpflanzen-Newsletter dazu an. Darin geht es im Wesentlichen um Heilpflanzen, aber auch um Bachblüten oder Homöopathische Mittel:

Guayusa und Wissenschaft

In einer anderen Webseite, die die unvergleichlichen Vorzüge von Guayusa diskutierte, wird auch ohne Quellenangabe behauptet, dass Guayusa den Blutzuckerspiegel senkt „und damit eine Senkung des Diabetesrisikos“ bewirkt. Zum einen ist die Senkung oder Erhöhung des Risikos für Diabetes weitestgehend unabhängig vom jeweiligen Blutzuckerspiegel.

Dieser ist nur Ausdruck für fehlgeleitete Stoffwechselvorgänge. Darum ist die Senkung des Blutzuckerspiegels eine Behandlung eines Symptoms und nicht der zugrunde liegenden Erkrankung.

Zum anderen scheint es nur eine einzige Arbeit zum Thema Diabetes und Guayusa zu geben. Und die stammt aus dem Jahr 1989: Glycaemic effects of traditional European plant treatments for diabetes. Studies in normal and streptozotocin diabetic mice. – PubMed – NCBI.

Die Studie wurde an Mäusen durchgeführt, die experimentell zu Diabetiker-Mäusen gemacht wurden und verschiedenen Kräutern und Heilpflanzen ausgesetzt wurden, darunter Guayusa. Das Resultat der Untersuchungen zeigte, dass nur Guayusa und ein Zuchtpilz (Agaricus bisporus), die Entwicklung einer Hyperglykämie bei den diabetischen Mäusen verlangsamte und darüber hinaus Hyperphagie (exzessiver Hunger/Appetit), Polydipsie (krankhaft gesteigerter Durst), Gewichtsverlust und glykiertes Hämoglobin reduziert.

Interessant ist hier die Aussage, dass Guayusa einen Gewichtsverlust bei den Tieren reduziert. Das Guayusa-Marketing jedoch behauptet, dass Guayusa sich besonders gut für das Abnehmen eignet. Studien, die diese Aussage unterstützen, habe ich nicht finden können. Und diese eine Studie, die einen Zusammenhang mit Körpergewicht erwähnt, spricht eher für das komplette Gegenteil. Dies soll nicht heißen, dass man unter Guayusa eine Gewichtszunahme zu erwarten hat. Vielmehr scheint Guayusa eine bei Typ-1-Diabetikern (in diesem Fall den Mäusen) häufig vorkommende Gewichtsabnahme zu verlangsamen.

Die Gründe für die Gewichtsabnahme hier haben nichts mit den sonst üblichen Ursachen, metabolisches Syndrom etc., zu tun. Von daher sind in diesem Zusammenhang entsprechende Rückschlüsse unzulässig, da es sich beim metabolischen Syndrom und Typ-2-Diabetes um verwandte physiologische Abläufe handelt. Typ-1-Diabetes ist eine vollkommen andere Erkrankung.

Die Zahl der Studien zu Guayusa, die jetzt noch ausstehen, beläuft sich auf drei. Alle drei Studien stammen aus den Jahren 2016/2017.

General and Genetic Toxicology of Guayusa Concentrate (Ilex guayusa). – PubMed – NCBI 

Diese Studie untersucht an Ratten die physiologische und genetische Toxizität von Guayusa-Extrakt. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es unter Guayusa leichte Veränderungen der Leberenzyme zu beobachten gibt und Cholesterinspiegel sich leicht erhöhen und Speicheldrüsen sich leicht vergrößern. Toxische Effekte mit signifikanten Konsequenzen haben die Autoren für Guayusa nicht feststellen können.

The Safety, Pharmacokinetics, and Nervous System Effects of Two Natural Sources of Caffeine in Healthy Adult Males. – PubMed – NCBI 

Diese Arbeit mit zwölf erwachsenen Männern untersuchte den Effekt von 200 Milligramm Koffein aus Kaffee, Guayusa und einer „synthetischen Kontrolle“ (keine nähere Erklärung hierfür) auf Verträglichkeit, Resorption und Effekt auf Neurotransmitter. Es zeigten sich keine statistischen Unterschiede in Bezug auf Blutdruck und Herzfrequenz. Die Guayusa-Blätter zeigten einen signifikant geringeren Anstieg bei Epinephrin im Vergleich zur Kontrolle, während der Kaffee einen ähnlich hohen Anstieg bei Epinephrin bewirkte wie die Kontrolle.

Kommentar der Autoren: Auswirkungen für weitere klinische Forschungen werden diskutiert.

Guayusa (Ilex guayusa L.) new tea: phenolic and carotenoid composition and antioxidant capacity. – PubMed – NCBI 

Diese Arbeit untersucht die Zusammensetzung von Phenolen und Carotinoiden und deren antioxidativen Eigenschaften in Guayusa. Die Untersuchung identifizierte 14 verschiedene Phenole. Chlorogensäure und Quercetin-3-Hexose (eine Verbindung von Quercetin und einem Monosaccharid) sind die häufigsten Wirkstoffe.

Die Untersuchungen identifizierte fünf Carotinoide, mit Lutein als höchste Konzentration. Weiter zeigte sich, dass aufgebrühte Guayusa-Blätter die Konzentrationen an Phenolen beibehielten, ebenso einige der Carotinoide und eine ähnlich hohe antioxidative Wirkung beibehielten wie unbehandelte Blätter. Im Gegensatz dazu reduzierte die Fermentation der Blätter den Inhalt an bioaktiven Inhaltsstoffen und ebenso deren antioxidative Wirksamkeit.

Nähere Angaben über das antioxidative Potenzial in absoluten Zahlen werden von den Autoren nicht gemacht.

Fazit

Wie es aussieht eilt das Internet-Marketing für Guayusa der Wissenschaft wieder um Längen voraus. Wie es aussieht werden wieder positive Wirkungen erfunden, unterstellt, vermutet etc., um Argumente zu haben, mit denen sich die geschäftliche Seite ankurbeln lässt.

Die wissenschaftlichen Studien zu Guayusa sind mit neun Arbeiten (in PubMed) erschreckend gering. Aus ihnen lassen sich keinerlei Rückschlüsse machen, die auch nur annäherungsweise etwas mit denen des Internet-Marketings zu tun haben.

Beitragsbild: 123rf.com – thamkc

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