Die ketogene Ernährung zeichnet sich durch eine starke Limitierung der Kohlenhydratzufuhr aus. Der überwiegende Teil der Kalorien wird über Fette dem Körper zugeführt. Eine genauere Charakterisierung der ketogenen Ernährung finden Sie hier: Die Ketogene Diät.
Die ketogene Ernährung hat bereits einen erstaunlich guten Effekt bei Epilepsie zeigen können. Hier scheinen besonders Kinder mit Epilepsie zu profitieren (Neue Studie). Zur Frage, ob möglicherweise auch andere neurologische Erkrankungen von einer ketogenen Ernährung profitieren können, gibt es vergleichsweise wenig Studienmaterial.
Wenn die Ernährung aus dem Ruder läuft
Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2012 (The ketogenic diet as a treatment paradigm for diverse neurological disorders.) vermutet, dass neurologische Erkrankungen auf einem Metabolismus der Zellen beruhen, der aus dem Ruder gelaufen ist und unphysiologisch hohe Mengen an freien Radikalen erzeugt, die letztendlich für die Schädigungen der Nervenzellen und ihrer Strukturen verantwortlich sind. Eine ketogene Diät, so wird vermutet, kann das Maß an freien Radikalen eindämmen und den gestörten Metabolismus wieder normalisieren.
Verbesserte Beweglichkeit
Multiple Sklerose wird als ein entzündlicher Prozess begriffen, der auf einer Autoimmunreaktion beruht. Übrigens sehen das manche auch anders und halten die MS für eine Borreliose.
Die Entzündung und die damit verbundenen freien Radikale führen zur Zerstörung der Markscheiden (Demyelinisation) der Axone der Nervenzellen und damit zu deren Funktionsverlust und Untergang. Eine Arbeit aus dem Jahr 2012 (Inflammation-mediated memory dysfunction and effects of a ketogenic diet in a murine model of multiple sclerosis.) untersuchte den Effekt einer ketogenen Diät auf das Krankheitsgeschehen bei Multipler Sklerose bei Mäusen.
Die Autoren sahen, dass eine ketogene Diät die von der Krankheit bedingte Bewegungseinschränkung verbesserte. Des Weiteren verbesserte sich die Lernfähigkeit und das Gedächtnis der Tiere. Gewebeschwund (Atrophie) in Teilen des Gehirns der Tiere (Hippocampus) und Läsionen wurden durch die Diät rückgängig gemacht. Unter pathologischen Bedingungen zeigten die Tiere hohe Konzentrationen an freien Radikalen und entzündungsfördernden Zytokinen. Unter der ketogenen Diät waren die Konzentrationen für beide signifikant gesenkt worden.
Die Autoren schlossen aus ihren Beobachtungen, dass die Entzündung des Gehirns, wie es bei der Multiplen Sklerose der Fall ist, zu schweren Beeinträchtigungen der Hirnfunktion führt, und dass eine Behandlung mit einer ketogenen Diät einen protektiven Effekt bereit stellt. Dieser Effekt besteht in der Minimierung der fehlgeleiteten Immunreaktion und Senkung des oxidativen Stresses.
Der allgemeine Tenor der Schulmedizin zeigt ein überraschend positives Bild für die ketogene Diät. Dies mag damit zusammenhängen, dass diese Form der Diät bei einer Reihe von neurologischen Erkrankungen sehr beachtliche Therapieerfolge hat erzielen können, die von pharmazeutischen Produkten in dieser Form nicht zu sehen waren.
Übrigens: Wenn Sie solche Informationen interessieren, dann fordern Sie unbedingt meinen Praxis-Newsletter dazu an:
Onmeda.de (onmeda.de/g-ernaehrung/ketogene-ernaehrung-3365.html) diskutiert die ketogene Diät durchweg positiv. Es werden einige Studien zu anderen neurologischen Erkrankungen zitiert, die beachtliche Ergebnisse vorzuweisen hatten. Für die Multiple Sklerose gibt es einen Hinweis auf eine kleine Studie, die an der Berliner Charité durchgeführt worden ist, und die hier ebenfalls zu guten Ergebnissen gekommen ist.
Es gibt hier Hinweise, dass eine Energiegewinnung der Nervenzellen über Ketone effizienter durchgeführt wird als über Glukose. Auch hier taucht wieder der Hinweis auf freie Radikale als hauptsächlicher Problempunkt bei der Progression des Krankheitsverlaufs auf. Man vermutet, dass zu viele Kohlenhydrate Ursache sind für das vermehrte Auftreten von oxidativem Stress.
Leider gibt es keine Quellenangabe, die zu der Charité Studie führen würde. Auch Nachforschungen in PubMed hat keine Ergebnisse geliefert, so dass ich davon ausgehe, dass die Arbeit so neu ist, dass sie noch nicht offiziell veröffentlicht worden ist. Aber das könnte auch eine Nachlässigkeit bei Onmeda sein. Ja, ich weiß – bei älteren Artikeln finden Sie bei mir auch genug “Nachlässigkeiten” — aber ich bin hier auch “nur” der Praktiker aus der Praxis, der sich über eine Menge Dinge “wundert”.
Aber: Der NDR hatte sich im September 2015 ebenfalls dieses Themas angenommen(ndr.de/ratgeber/gesundheit/ketogeneernaehrung101.html). In diesem Kurzbeitrag wird ebenfalls auf die Charité verwiesen, deren Wissenschaftler die Kohlenhydrate als Hauptverursacher von oxidativem Stress ansehen und damit als Auslöser einer Multiplen Sklerose oder anderer neurologischer Komplikationen. Leider fehlt auch hier ein qualifizierter Hinweis auf die Informationsquelle.
Es gibt ein Interview mit dem RBB (rbb-online.de/rbbpraxis/rbb_praxis_service/neurologie/diagnose-multiple-sklerose—was-bedeutet-das-.html), in dem der Leiter dieser Studie, Prof. Paul, stichwortartig einige Ergebnisse der Studie preisgibt. 60 Patienten mit Multipler Sklerose nahmen an der Studie teil.
Der Professor nannte als positive Resultate eine verbesserte Lebensqualität, Erhöhung des HDL-Cholesterins, Senkung des Körperfetts und weniger Entzündungen. Er kündigte eine weitere, größere Studie an. Dies kann ich aber nicht wirklich als „bahnbrechende“ Ergebnisse betrachten, was sicherlich nicht an der Diät liegt, sondern eher am Umgang mit den Ergebnissen, die über diese Kanäle präsentiert werden: Nicht nachvollziehbar, unwissenschaftlich und fast ohne Aussagewert.
Bei dem Mangel an wissenschaftlich fundierten Arbeiten zur ketogenen Ernährung und Multiplen Sklerose wundert es mich (eigentlich nicht), dass man die wenigen mehr als vielversprechenden Resultate nicht zum Anlass nimmt, hier intensivere Nachforschungen zu betreiben. Im zuletzt genannten Interview mit dem Professor erwähnt dieser auch eine Reihe von Medikamenten, wie zum Beispiel Tecfidera, die ein besseres Umsatzprofil versprechen als eine für den Umsatz uninteressante Diät, die sich jeder selbst zusammenstellen kann, vorausgesetzt, man kann lesen.
Eine ähnliche Einschätzung gibt der eben zitierte Prof. Paul auch in einem Interview mit Deutschlandradiokultur (deutschlandradiokultur.de/wertvolles-fett.1067.de.html?dram:article_id=264101), wo er preisgibt, dass „seine“ Studie nur über 6 Monate lief und damit viel zu kurz war, um nachhaltige Wirkungen einer ketogenen Diät bei Multipler Sklerose zu beurteilen. Eine größere Studie ist aber nur schwer finanzierbar:
„Das bedeutet aber auch, dass so eine Studie deutlich teurer wird als so eine kleine wie jetzt. Und da haben wir das große Problem, dass wir für so eine Studie kaum Gelder bekommen. Der große Teil der Forschung kommt von der Pharmaindustrie, die natürlich kommerzielle Interessen haben. Die können mit dieser Studie nicht bedient werden.“
Bei so viel Unwissenschaftlichkeit und Profitgier ist es nicht verwunderlich, wenn Betroffene weniger auf die „Wissenschaft“ als auf Einzelfallberichte hören und schwören. Denn Betroffene mit guten Erfahrungen haben nur ein Interesse – und das ist die Verbesserung ihrer Gesundheit.
Unter Multiple Sklerose: Studie überflüssig! beschreibt eine junge Frau mit Multipler Sklerose, dass eine ketogene Ernährung für sie das Ende des Leidens bedeutet hatte. Sie konnte sich früher maximal 100 Meter fortbewegen. Heute sind 2, 5 und sogar 10 Kilometer mehr als im Bereich des Möglichen.
Fett macht nicht fett
Ein wichtiger Hinweis sei noch „nachgereicht“. Eine fettreiche Diät macht nicht fett, da die Kalorienzahl einer solchen Diät nicht ins Unermessliche hinaus schießt. Vielmehr werden sogar weniger Kalorien verzehrt als unter „normalen“ Verhältnissen. Ein weiterer wichtiger Hinweis ist die Tatsache, dass Fett nicht gleichzusetzen ist mit tierischem Fett. Was man bei einer ketogenen Diät benötigt, das sind die günstigen Fettsäuren. Und die werden nicht nur von Tieren beziehungsweise werden auch von Pflanzen geliefert:
Avocado, Macadamianüsse, Kokosnüsse und deren Öl und Milch, Olivenöl, Raps- und Leinöl, Hering, Sardinen, Butter, Käse etc.
Fazit
Die Forschungen über ketogene Diät bei Multipler Sklerose stecken bestenfalls in den Kinderschuhen. Das Wenige, was man bis jetzt hat sehen können, ist mehr als vielversprechend. Und der Grund, warum das (fast) niemanden in der evidenzbasierten Schulmedizin und Pharmaindustrie interessiert, ist auch kein neuer. Für die Betroffenen ist diese Interessenlosigkeit ein Desaster.
Beitragsbild: 123rf.com – thamkc
Dieser Beitrag wurde letztmalig am 7.1.2016 aktualisiert.