Wir sind es ja gewöhnt, weil wir so erzogen sind. Bei Unpässlichkeiten gibt es immer Mittelchen, die wir schlucken können und dann wird’s schon werden. Auch die Angst vor Krankheiten können wir mit oralen Trostpflastern schnell vertreiben. Diese Mentalität ist die ideale Bresche für Konzerne, um uns “innovative Produkte” anzudrehen.
Das funktioniert zum Beispiel so: Ich isoliere Omega-3-Fettsäuren aus gesundem Leinöl und stopfe sie am Fließband in Müsliriegel, die so zum “Functional Food” für ein stärkeres Herz werden. Und schwuppdiwupp hat sich der Verkaufspreis des Rohstoffs verzehnfacht – vorsichtig geschätzt.
Der Name auf dem Etikett macht den Umsatz
Andere Bezeichnungen für solche “funktionellen Lebensmittel” von Nestlé Co und sind “Designer-Lebensmittel” oder wichtiger klingend “Nutraceutical”. Die Konzentration der mehr oder weniger gesunden Inhaltsstoffe ist zwar höher als in “normalen” Lebensmitteln, aber viel geringer als in Nahrungsergänzungs-Präparaten.
Das Spektrum der Substanzen, die schlichte Knabbereien oder Joghurts zu “Super-Foods” aufpeppen sollen, ist lang. Dazu gehören Mineralien und Spurenelemente, gesunde Öle und Ballaststoffe, Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe, Pro-, Prä- und Synbiotika. Energie-Drinks enthalten teils auch Alkohol, zu viel Koffein und gefährliche Aufputschmittel.
Eine klare Regelung fehlt
Außer Japan hat es bisher kein Land geschafft, den Begriff “Functional Food” gesetzlich zu definieren. Dort haben Konzerne die präparierten Lebensmittel erfunden und müssen deren gesundheitlichen Nutzen nachweisen.
In der EU fallen Nutraceuticals allenfalls unter die Novel Food-Verordnung von 2015, aber eben nur dann, wenn die Inhaltsstoffe ganz neu aufgekommen sind oder mit neuen Techniken produziert wurden (Genfood). Ansonsten dürfen die Konzerne ihre Produkte mit der verkaufsfördernden Bezeichnung nach Herzenslust verkaufen, wenn beispielsweise Vitamin C oder Polyphenole beigemengt sind. Beide Substanzen sind ja schon lange bekannt und seit Urzeiten in frischem Obst und Gemüse enthalten.
Warum nicht gleich frisch?
So, heute sollen wir nach dem Willen einiger Konzerne also ACE-Säfte trinken, um eine Abwehrschwäche zu überwinden.
Und Kaugummi mit Phospatidyl-Serinen aus Sojabohnen brauchen wir unbedingt, damit wir uns konzentrieren können. Die Aminosäure L-Arginin, die in allen Lebewesen vorkommt, wirkt ja auch nur dann in unserem Organismus, wenn sie in tüchtig denaturieten Snacks drin ist.
Dann hilft sie auf einmal sogar gegen Herzbeschwerden und Gefäßkrankheiten. Lebensmittel wie eine frische Möhre oder ein Stückchen Hering sind besser und preiswerter und versorgen uns ausreichend mit allen Nährstoffen, die wir brauchen.
Die eigentliche “Funktion” in “funktionellen Lebensmitteln” sind höhere Konzern-Umsätze. Schon 2009 setzten die Hersteller damit 4,5 Milliarden Euro allein in Deutschland um. In den USA waren es 2019 und 82 Milliarden Dollar.
Die meisten funktionellen Lebensmittel sind einfach nur überteuert. Manche stehen aber auch im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein, weil die bioorganischen Verbindungen denaturiert werden. So werden pflanzliche Sterole zu Stanolen umgewandelt.
Weil diese Substanzen so in der Natur nicht vorkommen, rät das Bundesinstitut für Risikobewertung von zu hohem Konsum ab. Margarine mit Stanolen wird jedoch von den Herstellern als antiarteriosklerotisch propagiert.
Eine andere Gefahr geht von gentechnisch veränderten Lebensmitteln aus, die in den Nutraceutical in zunehmend größeren Mengen enthalten sind. Auch hier sollte der Verbraucher wachsam bleiben und nicht so schnell auf irgendwelche Werbe-Kampagnen hereinfallen.
Am Widerstand gegen die Genfood-Technologie können Sie sich beteiligen, wenn Sie Umwelt-Organisationen unterstützen. Ein Beispiel wäre hier die Schweizer Allinanz Gentechfrei.
Beitragsbild: 123rf.com – PAPAN SAENKUTRUEANG
Dieser Beitrag wurde letztmalig am 8.12.2020 aktualisiert.