Gerade bei zu früh geborenen Kindern steht die Gesundheit (und oft auch das Leben) stark auf der Kippe. Gleichzeitig ist das Stillen schwer: Die Babys haben meist nicht die Kraft zu Saugen, die Mütter nicht immer die Kraft zum Abpumpen.
Auch der Umgang mit Muttermilch ist in den meisten Frühgeborenenstationen nicht optimal. Deshalb gehört das Füttern mit künstlicher Milch zum Standard in Krankenhäusern. Jetzt stellt sich aber heraus: Eben diese Kunstmilch ist möglicherweise der Auslöser für eine Darmerkrankung, die bei Frühchen die häufigste Todesursache darstellt.
Lebensbedrohliche Darmkrankheit bei Frühchen
Nekrotisierende Enterokolitis heißt die Krankheit, die so vielen Frühchen zum Verhängnis wird. Bei dieser Krankheit sterben die Zellen der Darmschleimhaut ab. Dadurch können ein Darmwanddurchbruch und eine Bauchfellentzündung entstehen. Beides ist lebensgefährlich. Die nekrotisierende Enterokolitis tritt zu 90% bei frühgeborenen Babys auf, und zwar vor allem bei denen, die mit Muttermilchersatz ernährt werden. Jedes zehnte betroffene Kind stirbt an der tückischen Krankheit.
Freie Fettsäuren durch Muttermilchersatz sind mögliche Ursache:
Forscher in Kalifornien haben nun herausgefunden, wie die nekrotisierende Enterokolitis entsteht:
Freie Fettsäuren, die bei jedem Menschen durch die Verdauung entstehen, können unter ungünstigen Bedingungen Zellmembranen aufbrechen und damit die Zellen zerstören. Damit das nicht passiert, ist unser Darm von einer Schleimschicht bedeckt, die ihn vor den Fettsäuren schützt. Bei Neugeborenen und vor allem bei zu früh geborenen Kindern ist diese Schleimschicht noch nicht voll ausgeprägt. Deshalb kann es den freien Fettsäuren gelingen, die Darmzellen zu zerstören. Die nekrotisierende Enterokolitis entsteht.
In der Studie der kalifornischen Forscher wurde nun die Verdauung von Muttermilch und künstlicher Milch untersucht, mit deutlichen Ergebnissen: Bei der Verdauung der Muttermilch entstanden kaum freie Fettsäuren. Beim Muttermilchersatz hingegen wurden große Mengen dieser aggressiven Säuren gebildet. Sie wurden in drei verschiedene Zellkulturen aus Darmwandgewebe eingesetzt und töteten diese innerhalb kürzester Zeit ab. Im Körper würde dies einer nekrotisierenden Enterokolitis entsprechen.
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Das Besondere der Muttermilch
Wie verhindert jedoch die Muttermilch diesen Prozess? Wie schützt sie die Babys vor den freien Fettsäuren?
Bei einer Untersuchung in Kalifornien stellte sich heraus, dass Babys die Muttermilch langsamer und kontrollierter verdauten als die künstlichen Ersatzprodukte. Wie diese Verzögerung entsteht, ist noch unklar. Klar ist jedoch, dass die Muttermilch kein Verursacher für die nekrotisierende Enterokolitis ist. Im Gegenteil: Wird ein Baby zu früh geboren, stellt sich der Körper der Mutter sofort darauf ein und produziert Milch, die mehr Eiweiße, Natrium, Fett und Enzyme enthält als üblich. So wird das Immunsystem des Frühchens verbessert und die Entwicklung einer gesunden Verdauung gefördert. Gleichzeitig ist in dieser sogenannten Preterm-Milch weniger Laktose enthalten, die die Verdauung stören könnte. In den ersten Lebenswochen des Säuglings ändert sich die Zusammensetzung der Muttermilch allmählich, bis sie der Milch für zeitgerecht geborene Babys gleicht.
Muttermilch für alle Frühgeborenen?
Rein technisch kann einem Frühchen statt der künstlichen Ersatzmilch immer auch Muttermilch gegeben werden. Dazu brauchen jedoch die Mütter viel Unterstützung. Die Sorge um das Kind, der Schock über die zu früh beendete Schwangerschaft und die Umstände des Klinikalltags machen es schwer, eine Stillbeziehung aufzubauen. Dazu kommt, dass das Abpumpen für viele Frauen deutlich kräftezehrender ist als das Saugen eines Kindes. Die Mütter von Frühgeborenen brauchen also viel Anleitung, Zuspruch und Unterstützung. In manchen Krankenhäusern bekommen sie diese, in vielen anderen aber auch nicht. Es steht zu hoffen, dass die neuen Erkenntnisse zu einem stärkeren Bewusstsein in diese Richtung beitragen werden.
Auch der Umgang mit der Muttermilch muss überdacht werden. In den meisten Krankenhäusern wird die abgepumpte Milch zunächst auf Keime und Krankheitserreger untersucht. Werden diese gefunden, darf die Milch entweder gar nicht an das Frühgeborene abgegeben werden oder sie wird vor dem Füttern pasteurisiert. Bei dieser Behandlung gehen jedoch wertvolle Stoffe aus der Muttermilch verloren. Häufig bekommen die Babys auf diese Weise erst nach Wochen (unbehandelte) Muttermilch. Die Vorteile der speziell zusammengesetzten Preterm-Milch gehen also verloren. Außerdem wird durch dieses Vorgehen bei den Müttern eine Angst vor ihrer eigenen Muttermilch produziert. Sie wird als „potenziell gefährlich“ wahrgenommen, während die Ersatzmilch als steril und damit sicher empfunden wird. Dass diese Einschätzung aus meiner Sicht mehr als fragwürdig ist, machen Studienergebnisse wieder einmal deutlich. Nötig sind mutige, entschlossene Eltern, die auch entgegen ärztlichen Empfehlungen darauf vertrauen, dass die Natur das Beste geschaffen hat, was Babys bekommen können: unverfälschte Muttermilch.
Übrigens: Was für Frühgeborene gilt, ist auch bei zeitgerecht geborenen Babys nicht anders. Auch für sie ist Muttermilch mit großem Abstand das Beste und Gesündeste, was sie kriegen können.
Beitragsbild: 123rf.com – PAPAN-SAENKUTRUEANG