In der heutigen Gesellschaft ist die Gesundheit für die Menschen sehr wichtig und sie sind bereit viel Geld dafür zu investieren.

Infolge dessen profitiert vor allem auch die Pharmaindustrie und stellt immer mehr Medikamente her, die pro Jahr mehrere hundert Milliarden Euro Umsatz weltweit einbringen.

Den meisten Medikamenten wird blind vertraut, denn fast jeder ist davon überzeugt, dass ein Arzneimittel von einem Arzt oder Forscher speziell für diese Krankheit entwickelt worden ist.

Tatsächlich scheint es jedoch so zu sein, dass das primäre Interesse der Pharmakonzerne darin besteht mehr Geld zu verdienen – ob mit echten oder gefälschten Pharmastudien.

Wolfgang Becker-Brüser, Arzt und Apotheker, beschäftigt sich seit dreißig Jahren mit Medikamentenstudien der Pharmazeutischen Industrie. Die Informationszeitschrift “Arznei-Telegramm” wird von ihm seit zehn Jahren herausgegeben.

Laut Becker-Brüser sind bis zu 90 Prozent der Studien in irgendeiner Form manipuliert. Diese Täuschungsmanöver werden allerdings in den monatlichen Ausgaben des Arznei-Telegramms offenbart.

Ein Beispiel sei der Skandal Vioxx, ein Rheuma- und Schmerzmittel, das Nebenwirkungen im Magen-Darm-Bereich vertuschte. In der Praxis waren diese jedoch nicht zu verheimlichen. Daraufhin musste Merck Vioxx vom Markt nehmen. Mehr dazu auch im Artikel Fälschungsskandal in der Schmerzforschung.

Professorin Petra Thürmann von der Universität Witten-Herdecke, an der sie Pharmakologie lehrt, hat ebenfalls das Ziel diese Täuschungsmanöver aufzudecken.

Für eine große Kette von Privat-Kliniken prüft sie Arzneimittelstudien und kennt nun die Tricks des „selektiven Publizierens“. Laut Thürmann sei es eine Möglichkeit für Pharmakonzerne, schöne Ergebnisse und Daten aus einer großen Studie herauszusuchen und diese in deren eigenen Konzepte zu verwenden und dann zu publizieren.

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Beispiel gefällig? Der Fall Paroxetin

Ein Medikament ist beispielsweise der Wirkstoff Paroxetin des Herstellers GlaxoSmithKline, den Kinder und Jugendliche als Antidepressivum verschrieben bekamen.

Interne Papiere bewiesen, dass der Hersteller schon seit 1998 wusste, dass das Mittel nur bei Erwachsenen hilft. Im Jahr 2003 wurde dann veröffentlicht, dass der Wirkstoff die Selbstmordrate bei Kindern und Jugendlichen erhöht. Statt “Selbstmord” stand in den Daten jedoch nur “emotionale Labilität”, was auf eine Manipulation hindeutet.

Laut Thürman passiert dies sehr oft, da Nebenwirkungen nicht mit großer Sorgfalt und nur in kurzen Absätzen beschrieben werden.

Auch im Jahr 2005 tritt ein Beispiel auf, als in der renommierten Fachzeitschrift „Lancet“ stand, dass spezielle Schmerzmittel das Mundkrebs-Risiko beachtlich senken könnten. Die Zeitschrift ist stets für ihre Qualitätskontrollen bekannt und dennoch handelt es sich dabei um ein Fantasieprodukt.

Angeblich hätten an der Studie, die von dem bekannten Krebsforscher Jon Sudbo vom Osloer Krankenhaus Radiumhospitalet in Norwegen, etwa eintausend Patienten teilgenommen.

Auffällig wurde dann, dass 250 der angeblichen Teilnehmer der Studie zufällig am gleichen Tag geboren wurden und zudem hatte der Forscher zur Statistik seiner Untersuchungen Zahlen aus dem staatlichen Register für Rezeptverschreibungen verwendet, die es zu dieser Zeit noch nicht gab.

Ob die Motive des Forschers falscher Ehrgeiz oder etwas anderes waren, ist nicht bekannt. Dennoch haben die gesamte Wissenschaft und auch die Zeitschrift Lancet einen Imageverlust erlebt.

Aber nicht nur die Pharmaindustrie „mogelt“ sich zu „äußerst verträglichen und sicheren“ Produkten durch. Erwartete und gar nicht überraschende Hilfestellung gewährt auch die Schulmedizin. So in dem neuesten Fall aus dem Klinikum Ludwigshafen, wo ein ehemaliger Chefarzt auf breiter Basis wissenschaftliche Veröffentlichungen versprüht hatte, die gegen alle geläufigen Richtlinien verstießen ( https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/klinikung-ludwigshafen-ex-chefarzt-betrog-bei-hes-studien-a-848995.html).

Ein entsprechender Untersuchungsbericht bestätigte jetzt den Verdacht auf einen gezielt und breit angelegten Wissenschaftsbetrug während seiner Amtszeit am Klinikum. Der Untersuchungsbericht wurde von Fachleuten erstellt, die über 90 Veröffentlichungen des Chefs untersuchten und bei allen grobe Verstöße gegen wissenschaftliche Standards feststellen konnten:

Bei den Arbeiten wurden die Patienten zu Versuchskaninchen umfunktioniert, ohne dass eine Erlaubnis seitens der Patienten vorlag. Diese wurden noch nicht einmal informiert, dass sie Teil einer Studie wurden. Ein großer Teil der Unterlagen dieser Studien sind inzwischen nicht mehr aufzufinden.

Die Studien wurden auch nicht bei der Ethikkommission der Landesärztekammer angemeldet, die unter geregelten Bedingungen die Zulassung und Durchführung von Studien beaufsichtigt. Aber damit nicht genug. Auch die Studien selbst wurden manipuliert.

Zahlen wurden verfälscht, das Alter der Probanden verändert usw. Was noch verwunderlicher ist, ist die Tatsache, dass der Anästhesist diese Praxis über 12 Jahre hat durchführen können (1999 – 2011), bevor die ersten Betrugsvorwürfe geäußert wurden. Und ausgerechnet sein Lieblingsprodukt wurde ihm zum Verhängnis: Hydroxyethylstärke (HES), ein Blutplasma-Ersatz (https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-75376536.html).

Dieses Produkt unterzog er wiederholt allen möglichen Formen von Studien und manipulierte die Ergebnisse so, dass immer das Präparat als „Segen für Chirurgie und Intensivmedizin“ dastand. Obwohl es Warnungen gab, dass HES Blutungen auslöst, sich im Körper ablagert, bei Patienten lang anhaltender Juckreiz ausgelöst wird, Nierenversagen induziert werden kann etc., wurden die Ergebnisse des Chefs von Studie zu Studie immer schöner und euphorischer.

Dank der Hilfe der Hersteller und des Glaubens an die Halbgottheit in Weiß wurde 12 Jahre lang keine Fragen zu den Studien gestellt. Die Industrie dankte es ihm mit gut bezahlten Vorträgen mit ihm als Redner und Forschungsgeldern. Und wenn man dann noch mit einer Mitarbeiterin aus der Pharmaindustrie verheiratet ist, das ist dann das Tüpfelchen auf dem „i“.

Immerhin wurde der Chefarzt entlassen bzw. „man trennte sich im gegenseitigen Einvernehmen“. Wie auch immer, diese Praxis ist ein weiterer Meilenstein bei der Bildung von berechtigtem (oder soll ich sagen: evidenzbasiertem) Misstrauen gegenüber Pharmaindustrie und Schulmedizin, auch wenn hier eine breit angelegte Untersuchung stattgefunden hat. Die fand aber erst nach 12 Jahren statt.

Folglich sind viele Arzneimittel (auch vermeintlich Erfolgreiche), wie zum Beispiel der Blutzuckersenker Glucobay, medizinisch umstritten. Bei Glucobay sei das Problem, laut Wolfgang Becker-Brüser, dass der Nutzen dieses Arzneimittels noch nicht belegt wurde.

Der Betrug mit Studien scheint Formen angenommen zu haben, die man nur noch mit “organisierter …” bezeichnen kann. Die neue Note: Früher fälschten die Hersteller von Medikamenten selber ihre eigenen Studien, die sie auch selber durchführten.

Heute lassen sie anscheinend fälschen. Denn wie so viele andere Zweige sind auch die Studien für neue Medikamente oder Bioäquivalenz-Studien für Generika ausgelagert worden an Firmen in sogenannte “Schwellenländer” wie Indien. Ein “Riese” in dieser Sparte ist die Firma GVK Biosciences in Indien. Mehr dazu im Beitrag: Pharmaskandal – Gefälschte Arzneimittelstudien durch GVK Bio?

Im Großen und Ganzen führen die vielen Täuschungen und Fälschungen nicht nur zu einem Problem für die Patienten, die das Medikament bereits genommen haben, sondern auch für die Allgemeinheit, da man als Laie nicht weiß, was der Wahrheit entspricht, wenn sich Kritiker und Hersteller widersprechen.

Theoretisch gäbe es sogar ein Kontrollinstrument, ein Register der europäischen Zulassungsbehörde, um die Studien der Pharmaindustrie objektiv zu überprüfen.

Passieren tut jedenfalls nichts. Im Gegenteil: die Überwachung wird mehr und mehr in die Hände der Pharmaindustrie gegeben. Die Hersteller sollen sich also selbst überwachen…

Ach ja: und dann gibt es noch Fälle, wo Studienergebnisse verweigert werden. Mehr dazu im Beitrag: Pfizer verweigert Studienergebnisse.


Beirtagsbild: 123rf.com – Vladimir-Soldatov

Dieser Beitrag wurde letztmalig am 21.3.2015 aktualisiert

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